100
Jahre Charlottenhöhe
|Friedrich Eschwey
Vor 100 Jahren, am
25. Mai 1907, wurde die Charlottenhöhe als Volksheilstätte
in Anwesenheit des württembergischen Königspaares
eingeweiht. Als Träger der Einrichtung erfreute sich der
„Verein für Volksheilstätten in Württemberg“
des besonderen Wohlwollens des Königshauses. Deshalb gab
die Königin Charlotte der Einrichtung ihren Namen.
65 Jahre war die
Charlottenhöhe Lungensanatorium. Etwa 28.000, an
Tuberkulose erkrankte Menschen, fanden Heilung oder Linderung
von ihrem schweren Leiden. Für manchen Patienten war die
Charlottenhöhe die letzte Station seines Lebens. In den
1960ziger Jahren waren die Antibiotika soweit entwickelt, dass
die Tuberkulose als Volksseuche besiegt werden konnte. Damit war
das Ende des Lungensanatoriums gekommen. Im Jahre 1972 übernahm
das Berufsförderungswerk Schömberg (BfW) die
Charlottenhöhe, um 22 Jahre lang Berufsfindungsmaßnahmen
und Kurse zur Vorbereitung der beruflichen Rehabilitation
durchzuführen. Rund 4.000 Rehabilitanden haben sich auf der
Charlottenhöhe auf ihre Umschulung vorbereitet. Zirka 5.000
behinderte Menschen nahmen an Berufsfindungsmaßnahmen
teil. Die Kurzzeitpflege für alte Menschen der
„Charlottenhöhe GmbH“ war mit nur 3 Jahren die
kürzeste Episode. Seit 1997 ist die Charlottenhöhe in
einen Dornröschenschlaf versunken. Die Absicht der Firma
Veda-Consulting, aus dem ehemaligen Sanatorium eine
Ayurveda-Klinik mit 400 Betten zu machen, scheint sich nicht zu
realisieren, denn der Zustand der Anlage verschlechtert sich von
Jahr zu Jahr.
„Es ist
traurig zu sehen, wie diese einst für Schömberg und
unser Land so bedeutende Einrichtung zusehends verfällt“,
meinten mit Wehmut Hans-Peter Schmitt, Gerhard Denner und Kurt
Wannagat, Zeitzeugen aus unterschiedlichen Epochen, als sie
kürzlich die Charlottenhöhe besuchten. Hans-Peter
Schmitt und Gerhard Denner haben ihre Kindheit hier verbracht,
Kurt Wannagat hat als Mitarbeiter des BfW
Berufsfindungsmaßnahmen durchgeführt. Haben Schmitt
und Denner die einsame Lage der Charlottenhöhe tief im Wald
als „fern der Zivilisation“ und damit beschwerlich
für Schulbesuch in Calmbach und Lehre in Pforzheim
empfunden, hat Kurt Wanngat die ruhige Lage als förderlich
für seine Arbeit geschätzt. „Nur im Winter war
die Anfahrt durch den oft tief verschneiten Wald ein tägliches
Wagnis“ erinnert sich schmunzelnd der ehemalige Ausbilder.
Kontakt zu den lungenkranken Patienten war den Kindern der
Mitarbeiter des Sanatoriums untersagt. „Ihr dürft
keine Geschenke annehmen und euch nicht von den Patienten
anfassen lassen“, waren die wichtigsten Ermahnungen durch
die Eltern. Angst hatten sie jedoch nicht, für sie war das
Leben im Umfeld der Heilstätte Alltag.
In den 1960ziger
Jahren gab es noch Patienten bei der Liegekur, doch das Ende der
Lungensanatorien war nicht mehr aufzuhalten. (Archiv Heimat- und
Geschichtsverein Schömberg)
„So
war es damals“, Kurt Wannagat, Hans-Peter Schmitt und
Gerhard Denner (von rechts) erinnerten sich an bessere Zeiten.
Die
Charlottenhöhe 2007
Chronik der
Charlottenhöhe
1907 Am
25. Mai wird in Anwesenheit des württembergischen
Königspaares die Volksheilstätte Charlottenhöhe
feierlich eröffnet. Träger ist der Verein für
Volksheilstätten in Württemberg. Chefarzt: Dr. med.
Rudolf Schüz. Verwaltungsleiter: Hans Schuster.
Mitarbeiter: 23 (3 Olgaschwestern). Bettenzahl: 92.
Verpflegungssatz: 3 Mark.
1927 Im
Mai wird der Neubau der Kinderheilstätte für 24
Mädchen und 16 Knaben in Betrieb genommen. Außerdem
wird ein Ökonomiegebäude mit Schweinestall erstellt.
1941 Am
7. November gehen in etwa 50 Meter Entfernung zur Heilstätte
5 Fliegerbomben nieder. Die Charlottenhöhe entgeht knapp
ihrer Vernichtung.
1945 Kurz
vor Kriegsende zwingen Ernährungsprobleme die Ärzte
soviel Patienten als verantwortbar zu entlassen. Zuvor waren
alle Kinder entlassen worden. Beim Einrücken der
Siegermächte ist die Charlottenhöhe nur noch zu einem
Drittel belegt. Doch schon kurze Zeit später nimmt die
Belegung wieder zu.
1948 Der
Verpflegungssatz der Charlottenhöhe beträgt 7 DM für
Erwachsene und 4,50 DM für Kinder. Durch die starke Zunahme
der Tuberkulose nach dem Kriege ist die Heilstätte voll
belegt. Von den Ärzten werden neue Tuberkulosemittel
eingesetzt, vor allem sogenannte Antibiotika.
1957 Die
Charlottenhöhe feiert ihr 50jähriges Bestehen. Für
die Zukunft der Heilstätten ist von Bedeutung, dass die
Zahl der Neuerkrankungen an Tuberkulose langsam zurückgeht.
Ganz auffallend ist der Rückgang bei Jugendlichen.
1958 In
der Volksheilstätte Charlottenhöhe wird mit 216
Patienten der höchste Belegungsstand ihrer Geschichte
erreicht. Ein Grund dafür sind die in Baden-Württemberg
pflichtgemäß durchgeführten
Röntgenreihenuntersuchungen. Die Zahl der entlassenen
Patienten mit den Befunden „wesentlich gebessert und
gebessert“ steigt deutlich an.
1961 Die
„Volksheilstätte Charlottenhöhe“ wird in
„Sanatorium Charlottenhöhe“ umbenannt.
1965 Im Sanatorium Charlottenhöhe
ist die Zahl der Offentuberkulösen stetig im Abnehmen.
Höchsten noch 20% der erwachsenen Patienten waren
infektiös. In den meisten Fällen ist die
Lungentuberkulose gut heilbar.
1967 Der „Verein für
Volksheilstätten in Württemberg“ wird in „Verein
für Volksheilstätten und Berufsförderung in
Baden-Württemberg“ umbenannt. Zwei neue Medikamente
(Ethambulol und Capreomycin) stehen zur Verfügung, die von
überragender Wirkung sind. Selbst Pflegefällen kann
damit geholfen werden.
1969 Von
1950 bis 1969 ist die Zahl der Lungentuberkulösen um mehr
als die Hälfte zurückgegangen. Aufgrund der
allgemeinen Entwicklung auf dem Gebiet der Tuberkulosebekämpfung
wird geprüft ob die Umwandlung des Sanatoriums
Charlottenhöhe in eine Lungenklinik sinnvoll ist. Das
Ergebnis ist negativ.
1972 Die Durchschnittsbelegung des
Sanatoriums Charlottenhöhe geht dramatisch zurück. Die
LVA-Württemberg gibt bekannt, dass sie zukünftig alle
Tuberkuloseheilverfahren in eigenen Sanatorien durchführen
wird.
1973 Am 9. Juli beschließt die
Mitgliederversammlung des Vereins für Volksheilstätten
und Berufsförderung in Baden Württemberg die Auflösung
des Sanatoriums Charlottenhöhe zum 30. September 1973. Ab
1. Oktober wird die Charlottenhöhe als Zentrum II dem
Berufsförderungswerk Schömberg angegliedert. Im
ehemaligen Kinderbau beginnen Maßnahmen zur
Arbeitserprobung und Berufsfindung.
1975 Es werden Lehrgänge zur
Vorbereitung von Umschulungsmaßnahmen für Teilnehmer
mit schulischen Defiziten eingerichtet.
1994 Die Charlottenhöhe wird an
den Schömberger Immobilienmakler Dieter Pfrommer verkauft.
1995 – 1998 Die „Charlottenhöhe
GmbH“ betreibt ein Kurzzeitpflegeheim mit 20 Plätzen
im ehemaligen Sanatoriumsbau. Der Kinderbau bleibt ungenutzt.
2001 Die Charlottenhöhe wird an
die Firma „Veda-Consulting“ verkauft. Entstehen soll
eine Ayurveda-Klinik, ein Zentrum für indische Heilkunst.
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